Am Wochenende startete döpps105 mit der Sammlung von Unterschriften für einen Bürgerentscheid zum Umbau des Döppersberg. Die Resonanz der Bevölkerung war ausgesprochen gut. Die Arbeit vieler Wochen, in denen die Stadt Wuppertal einen Start des Bürgerbegehrens auf vielfältige Weise hinausgezögert hatte, schien sich für die Aktiven auszuzahlen. Doch es wird jetzt darum gehen, die Unterschriftensammlung richtig einzuordnen und an Perspektiven zu arbeiten, die über eine reine Erfüllung bürokratischer Auflagen für eine BürgerInnenbeteiligung hinausgehen. Nachdem die Stadt Wuppertal dem Beteiligungswunsch der in dieser Stadt Lebenden eine klare Absage erteilt hat, muss sich döpps105 zu einem politischen Akteur wandeln.
Die Initiative döpps105 steht vor dem Problem, dass in NRW eine Beteiligung der BürgerInnen an den politischen Entscheidungsprozessen reichlich schwer gemacht wird, trotz einiger Erfolge von Initiativen wie am Wochenende in Essen. Das Verfahren zum BürgerInnenentscheid ist mit hohen bürokratischen Hürden versehen und manchmal erscheint es sogar sinnlos, weil beispielsweise umstrittene Maßnahmen wie der immer teurer werdende Umbau des Döppersberg in Wuppertal während der Unterschriftensammlung und während möglicher (und in Wuppertal bereits im Vorfeld durch die Stadt angekündigter) juristischer Auseinandersetzungen weiterlaufen und vollendete Tatsachen schaffen.
Selbst wenn ein Bürgerbegehren zur Deckelung der Ausgaben am Ende juristisch anerkannt würde und ein darauf folgender Bürgerentscheid eine Mehrheit für eine Kostenbegrenzung ergäbe: Das fragliche Geld wäre doch schon lange ausgegeben.
Hinzu kommt ein großes Ungleichgewicht bei den Möglichkeiten, ein solches Verfahren permanent juristisch zu begleiten – den engagierten BürgerInnen fehlen meist schlicht die Mittel, die ihr «Gegner» aus Haushaltsmitteln einfach akquirieren kann. Das Gutachten von Frank Bätge, mit dem die Stadt versuchte, ein Bürgerbegehren noch vor seinem Start zu disqualifizieren, wurde eben nicht von Peter Jung oder Johannes Slawig bezahlt, es wurden die von ihnen verwalteten Gelder aller WuppertalerInnen dafür verwendet.
Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob sich das Gutachten, dass einen Bürgerentscheid für unzulässig hält, am Ende nicht als Eigentor herausstellt, wenn es der Initiative gelingt, die WuppertalerInnen davon zu überzeugen, dass sie mit ihrer Unterschrift vor allem eines tun: Nämlich ihr großes Mißfallen über die handelnden Lokalpolitiker auszudrücken. So billig war eine Unmutsäußerung und ein Ärgern der Stadtspitze schließlich selten zu haben…
Die Initiative döpps105 hat sich den zuvor genannten Schwierigkeiten gestellt. Und sie ist bei ihrem Versuch, ein BürgerInnenbegehren durchzuführen auf zusätzliche, in Wuppertal hausgemachte, Widerstände gestoßen. Das kam für die InitiatorInnen nicht überraschend. Trotz der im Gesetz angelegten Verpflichtung der Verwaltung, die BürgerInnen bei einem Bürgerbegehren zu unterstützen, und der für die handelnden Lokalpolitiker eigentlich selbstverständlichen politischen Notwendigkeit, auf ein solch großes Engagement der Menschen dialogbereit zu reagieren, wurden döpps105 von Beginn an alle Knüppel zwischen die Beine geworfen, die im Rathaus zu finden waren. Zuletzt war’s dann auch noch der von Knecht Ruprecht, als die Stadt die für eine Unterschriftensammlung notwendige Kostenschätzung einen Tag vor Heiligabend zustellte, um den Start des Begehrens bis nach Neujahr hinauszuzögern.
Über die vielen kleinen Schikanen, etwa, dass es bis jetzt keine einzige Genehmigung für einen der döpps105-Infostände gegeben hat, weshalb jedes Mal eine Dauerkundgebung angemeldet werden musste, spricht bei der Initiative inzwischen kaum noch jemand.
Wenn Engagement auf solch erbitterten Widerstand trifft und dem ganzen Anliegen von Anfang an Sinnlosigkeit bescheinigt wird: Warum hat döpps105 dann trotzdem daran festgehalten, das BürgerInnenbegehren wie geplant durchzuführen?
Es gibt dafür einige mehr als gute Gründe:
Döpps105 hat durchaus Erfolge vorzuweisen.
So wurde die Stadt zeitweise durchaus in die Defensive gebracht – das große Zittern im Rathaus war bis Elberfeld zu verspüren. Und eine öffentliche Diskussion um den Döppersberg und um die Zukunft der Stadt Wuppertal wurde angestoßen. Die ist nicht beendet, sondern hat gerade erst begonnen. Diese Diskussion, die im Rathaus offenkundig nicht ergebnisoffen geführt wird, muss jetzt von den WuppertalerInnen selber geführt werden. döpps105 hat dafür in den letzten Wochen eine wesentliche Vorarbeit geleistet und wird sich in diesen Diskussionsprozess als politischer Akteur verstärkt einbringen.
Außerdem hat die beharrliche Arbeit von döpps105 dazu geführt, dass mittlerweile durch die Lokalpresse und die WuppertalerInnen nachgefragt wird, warum etwas geschieht, oder warum etwas nicht geschieht. Es wird zukünftig keine verdeckten Entwicklungen und keine hinter Allgemeinplätzen versteckten fundamentalen Entscheidungen mehr geben, es wird schwerer für die Stadtspitze, Dinge im vermeintlichen «Investoreninteresse» zu verschweigen.
Selbst die notwendige Kostenschätzung der Stadt (für den Fall eines erfolgreichen Begehrens), so zweifelhaft und vage sie auch ist, ist ein erster Schritt zur Transparenz beim Bauvorhaben am Döppersberg. Denn auch sie wird im Laufe der nächsten Zeit präzisiert werden müssen. döpps105 und andere werden die notwendigen Fragen stellen, etwa, welche Verträge welche Vertragsstrafen beinhalten und wer sie warum so abgeschlossen hat.
Dass die Stadt zur Transparenz durch döpps105 erst gezwungen werden muss, zeigt, wie Politik und Verwaltung in Wuppertal mit dem Interesse der Menschen an der Stadtentwicklung umgehen. Ein ehrlicher Dialog zwischen den gewählten RepräsentantInnen und den WuppertalerInnen kommt nicht vor.
Austausch ist für jene bestenfalls als eine Art «Öffentlichkeitsarbeit», also als PR-Arbeit vorstellbar, wie Baudezernent Meyer gerade erst in einem WZ-Interview zu verstehen gegeben hat. Demnach kann es nicht sein, dass es verschiedene Interessenslagen in der Bevölkerung gibt, die eine Verwaltung eigentlich permanent auszugleichen hätte. Es handelt sich immer nur um ein Vermittlungsproblem einer alternativlosen Entscheidung, im vorliegenden Fall für Meyer also um eingesparte Mittel für positive Reklame, wie er in dem Interview ausführt.
Diese Art von Politik hat in Wuppertal Geschichte. Sie wird aktuell durch die politische Konstellation befördert, die auf der Rathausbühne neben den beiden großen miteinander kooperienden Parteien wenig Platz für andere Vorstellungen und Konzepte zulässt. Wenn die kleineren Fraktionen im Rat einmal etwas bewegt wollen, wird ihre Initiative meist in maßloser Art vom Fraktionschef der SPD, Klaus Jürgen Reese, bzw. von Oberbürgermeister Jung abgekanzelt. Wer jemals eine Sitzung des Rates verfolgt hat, weiß, wovon die Rede ist. Zuletzt war dieser Umgang beim Antrag der Fraktion DIE LINKE für einen Ratsbürgerentscheid zum Döppersberg zu erleben.
Das politische Dilemma der «großen Kooperation» werden die WuppertalerInnen erneut bei der kommenden Kommunalwahl registrieren, bei der echte Mehrheitsänderungen im Stadtrat unwahrscheinlich erscheinen – allem Zorn über die Politik von CDU und SPD zum Trotz. döpps105 hat – als kleine Gruppe engagierter BürgerInnen – die bleierne Aussichtslosigkeit in der lokalen Politik durchbrochen, und von außen ungewohnten Druck aufgebaut.
Die massenhafte Sammlung von Unterschriften für ein BürgerInnenbegehren sollte deshalb nicht verkürzt als die Erfüllung juristischer Vorgaben angesehen werden, sondern als politischer Vorgang, der die WuppertalerInnen gegenüber einer selbstherrlich agierenden Stadtspitze stärken wird. Das BürgerInnenbegehren ist mehr als der Versuch, den Stadtrat an seine eigenen Vorgaben von 2010 zu binden. Es ist ein Akt der Selbstermächtigung und ein Ausdruck der Empörung.
döpps105 sammelt die Unterschriften nicht nur, um eine bestimmte Vorgabe zu erreichen, es sammelt den Protest.
Es geht um die Zukunft der Stadt
Es gibt einen weiteren gewichtigen Grund, die Sammlung der Unterschriften zu forcieren und eine möglichst große Zahl unterschriebener Listen vor der Türe des Oberbürgermeisters abzuladen: Die Zukunft der Stadt. Die KritikerInnen der Döppersberg-Planung haben mit döpps105 von Beginn an damit argumentiert, dass die am 18.11.2013 durch den Stadtrat bewilligten 35 Millionen Euro nicht ausreichen werden. Nicht nur der Initiativen-Mitstreiter Heinz Schmersal geht von finalen Kosten jenseits einer 250 Millionen-Grenze aus.
Das bedeutet, es fehlten der Stadt auch nach der zuletzt bewilligten Kostensteigerung weitere 100 Millionen Euro. Beteuerungen, es bliebe nun bei den avisierten 140 Millionen sind ebenso glaubhaft wie die ursprüngliche Versicherung, es würde nicht teurer als die ominösen 105 Millionen Euro. Die Stadtspitze verlangt, dass ihr in dieser Sache einfach geglaubt wird. Doch wie soll das nach den bisherigen Erfahrungen noch gehen? Zumal die Kalkulation des Projektes von Anfang an eher einer groben Schätzung denn einer fundierten Berechnung glich. Eine Tatsache, die Baudezernent Meyer im oben bereits genannten Interview offen zugibt. («Daher ist die neue Gesamtsumme jetzt auch keine Schätzung mehr, sondern eine sehr detaillierte Berechnung.» Ausgabe der WZ vom 14.01.2014)
Dabei ist allen Akteuren klar, dass zusätzliche 100 Millionen Euro nur bei einem Verkauf der in öffentlichem Besitz verbliebenen Anteile der Stadtwerke und bei Preisgabe elementarer städtischer Leistungen aufzubringen wären. Das wäre die endgültige Aufgabe der bisherigen Vorstellungen von «Stadt» als Gesellschaft aller in ihr lebenden Menschen.
Die Sammlung der Unterschriften gegen die zuletzt bewiligte Kostensteigerung ist deshalb auch eine Sammlung von Unterschriften gegen jedes weitere zukünftige Anwachsen eingesetzter städtischen Mittel beim Döppersberg. Eine möglichst große Zahl von Unterschriften bedeutet: Selbst wenn es der Stadt z.B. durch juristische Schachzüge gelänge, die jetzt bewilligten 35 Millionen Euro durchzubringen – es wird es das letzte Mal gewesen sein, dass sich die WuppertalerInnen für das Versagen der Stadt in Haftung nehmen lassen.
Viele Unterschriften für das BürgerInnenbegehren bedeuten, dass es zukünftig keine «Alternativlosigkeit» mehr gibt, dass der Verwaltung auf die Finger geschaut wird, dass jeder Vorgang nachgerechnet und ggf. wieder mit einer neuen Sammlung von Unterschriften und Widerstand beantwortet werden wird. Stadtspitze und -verwaltung müssen wissen und spüren, dass sie es beim Döppersberg überreizt haben. Die Zeiten selbstherrlicher Entscheidungen sind vorüber, es gibt keine Ruhe mehr.
Alleine um das klarzumachen, lohnt es sich, sich bei Döpps105 zu engagieren und sich in die Listen einzutragen.
Stadt für Alle – tunn:el-projektbuero am 21.01.2014