Zum 1.Mai 2014 hat das selbstverwaltete Autonome Zentrum an der Elberfelder Markomannenstraße eine Zeitung in größerer Auflage produziert („Rebellisches Tal“). Hierfür wurde mit Frank Jäger (Tacheles e.V.) von döpps105 und mit „Loba“ vom soli-komitee wuppertal ein Gespräch geführt. Thema waren der Döppersberg und das döpps105-BürgerInnenbegehren. Wir freuen uns, dass wir das Interview hier veröffentlichen können.
• Das Interview: «Das andere sind die kackfrechen Lügen»
Die Initiative döpps105, die sich für die Begrenzung der Umbaukosten am Döppersberg stark macht, hat am 14.03. die für ein BürgerInnenbegehren erforderliche Anzahl an Unterschriften bei der Stadt Wuppertal eingereicht.
Loba ist aktiv im so_ko Wuppertal (soli-komitee), das sich an der döpps105-Initiative beteiligt hat. Frank ist Berater bei Tacheles e.V. und hat in den letzten Monaten das BürgerInnenbegehren von döpps105 mit vorangetrieben. Wir sprachen mit den beiden über BürgerInnenbeteiligung in Wuppertal und die Art, wie die Stadtspitze mit dem BürgerInnenbegehren umgeht, sowie über die investorenfreundliche Stadtentwicklungspolitik in Wuppertal.
Frage: Der Umbau am Döppersberg wird bekanntlich viel teurer als geplant. Nun sollen über 35 Millionen mehr investiert werden. Glaubt ihr, dass es bei der angekündigten Kostensteigerung bleiben wird?
Frank: Es gibt unterschiedliche Schätzungen, die so bei über 200 Millionen Euro liegen – der Wuppertaler Unternehmer Schmersal, der sehr erfahren in großen Bauprojekten ist, geht fest davon aus. Die Stadtspitze versucht, die Frage der Kostensteigerung zu umschiffen. Es wird auf jeden Fall teurer; um wie viel, ist meiner Meinung nach Kaffeesatzleserei.
Wie ist denn der aktuelle Planungsstand beim Umbau?
Loba: Es gibt Pressemeldungen, dass die weiteren Pläne mit dem irischen Unternehmen Signature Capital, dem Investor des Geschäftshauses vor dem Bahnhofsgebäude, das jetzt auch das Schwebebahngebäude am Döppersberg kauft, eng verzahnt abgestimmt werden müssen. Das heißt es könnte am Ende auch auf eine Public Private Partnership (PPP) hinauslaufen, wo Signature Capital der Stadt unter die Arme greift, aber dafür auch viele Zugeständnisse bekommt. Die Rolle von Signature Capital ist bislang noch völlig unklar, aber es könnte auf eine massive Privatisierung öffentlichen Raums hinauslaufen.
Frank: Es gibt aber auch Aufgabenfelder, die laut Presse jetzt wieder in den Aufgabenbereich der Stadt zurückfallen, beispielsweise sind die Kosten für den Pavillon an der Wupper in den Kalkulationen der Stadt noch gar nicht aufgeführt. Man kann in beide Richtungen spekulieren – teurer wird es auf jeden Fall.
Die döpps105-Initiative hat Unterschriften gesammelt: Wie ist jetzt der Stand bei der Initiative?
Frank: Die ersten Treffen gab es im September 2013, die Initiative hat sich also erst gegründet, als die Mehrkosten nicht mehr vertuschbar waren. Das haben zwar alle, die das Projekt beobachtet haben, schon lange gewusst. Die Empörung ist aber erst hochgekocht, als die Stadt die Katze aus dem Sack gelassen hat. Dann formierte sich eine Initiative aus unterschiedlichen Gruppen und Einzelpersonen. Am 18.November ist per Ratsbeschluss ein früherer Beschluss – nämlich die Baukosten auf 105 Millionen zu begrenzen – aufgehoben worden. Ziel des BürgerInnenbegehrens von döpps105 ist es nun, diesen neuen Beschluss, der eine Kostensteigerung um 35 Millionen beinhaltet, aufzuheben. Dafür kamen trotz widriger Bedingungen seit Mitte Januar deutlich mehr als die notwendigen 11.000 Unterschriften zusammen.
Loba: Es gibt Leute, die sich mit diesem BürgerInnenbegehren schwer getan haben, unter anderen auch ich. Ich bin schon der Meinung, dass das Feld urbaner Transformation bespielt werden muss, aber dass Bürgerbegehren ein sehr fragwürdiges Instrument sind. Vor allem ist da natürlich die Kritik daran, dass dabei nur «Wahlbürger» mitmachen dürfen. Was ist mit unseren türkischen und arabischen FreundInnen? Es geht aber auch um Grundsätzliches: Der Autor Thomas Walter beschreibt in seinem Buch „Die Mitmachfalle“ sehr eindrücklich, wie gesetzliche Beteiligungsverfahren in der Regel möglichen Widerstand kanalisieren, spalten und wirkungslos machen. Der «runde Tisch» bei «Stuttgart 21″ ist da ein Beispiel. Es ist wie bei Wahlen: Wenn BürgerInnenbegehren etwas verändern könnten, wären sie verboten. Also gibt es jede Menge Versuche, sie letzten Endes juristisch zu blockieren. Auch in diesem Falle werden wir sehen, wie diese 13.000 Unterschriften mit juristischen Argumentationen vom Tisch gewischt werden. Es wird jetzt spannend, zu sehen, wie die Initiative auf die Wirkungslosigkeit ihres Begehrens reagiert.
Die Stadt hat ja schon verlauten lassen, dass sie die Unterschriften nicht anerkennen wird. Wie will die Initiative darauf reagieren?
Loba: Die Frage ist jetzt, ob die Leute sich auf das juristische Spiel einlassen, oder ob sie sagen, wir haben uns so engagiert, und die Stadt interessiert das jetzt alles einen Scheißdreck: wir müssen nach anderen Wegen suchen und Strukturen schaffen, wie wir solchen Entscheidungen zukünftig wirkungsvoller entgegentreten können. Da wird es jetzt verschiedene Strategien geben, und es wäre meiner Meinung nach unsere Aufgabe, diejenigen zu stärken, die Recht-auf-Stadt-Strukturen aufbauen wollen, die in Zukunft wirklich intervenieren können.
Wie setzt sich die Initiative Döpps105 denn zusammen?
Frank: Die Initiaitve ist relativ breit aufgestellt. Viele Leute, die sich vorher nicht in Stadtpolitik eingemischt haben, sind jetzt aufgrund dieser Kostensteigerung so empört, dass sie sich politisiert haben. Es gab da keine Partei oder bestehende Struktur, die die Initiative dominiert hätte, und auch die Unterschriftensammlung war durchweg selbstorganisiert.
Loba: Es gibt einen für uns spannenden Punkt: Es gibt in Wuppertal mehr Leute als gedacht, die in Initiativen tätig sind, die aber oft außerhalb unserer Wahrnehmung sind. Es gibt Nachbarschaftsinitiativen, die sich z.B. gegen eine Kanalverlegung wehren oder gegen die IKEA-Ansiedlung im Wuppertaler Norden und viele andere. Die Menschen organisieren sich aber hauptsächlich sehr kleinräumlich, zum Beispiel in Hinblick auf ihre Straße oder Siedlung. Da müssen wir ansetzen, lokale «Mappings» wären ein guter Anfang.
Was waren denn für euch die ursprünglichen Beweggründe, sich mit dem Döppersberg zu befassen?!
Frank: Ich komme aus dem Bereich der Sozialpolitik, und wir sehen ja, wo das Geld überall fehlt. Jetzt wird nochmal zusätzlich Geld für den Döppersberg ausgegeben, der Investor bekommt den roten Teppich ausgerollt, und dem Rest der Stadt fehlt die Kohle. Was die Kürzungen im Sozialbereich oder Bildungsbereich angeht, ist das Ende der Fahnenstange schon lange erreicht. Das war für mich der ausschlaggebende Punkt, zu sagen, das geht einfach nicht. Das andere sind die kackfrechen Lügen: Im Jahr 2010 wurde das schärfste Kürzungspaket geschnürt, erfolgten die Weichenstellung für die Schließung des Schauspielhauses und mehrerer Schwimmbäder. Im gleichen Jahr wird das Projekt Döppersberg eingetütet, und zwar gerechtfertigt mit einer klaren Kostendeckelung auf die 105 Millionen. Das ist eine große Lügengeschichte, die mich wie viele andere auf die Palme brachte.
Loba: Für mich waren es mehr stadtplanerische Aspekte: Wie die Stadt, in der wir leben, nach neoliberalem Zuschnitt umgebaut wird, wessen Interessen hier bedient werden, wer die Beute davon schleppt, und wieviel Lebensqualität für die Leute hier übrig bleibt. Es gibt da grundsätzliche Fragen: wieviel Einzelhandelsfläche wird neu geschaffen, die keineR braucht, warum kann ich in meinem Kiez nicht mehr einkaufen gehen, wieso wird eine Stadt so besinnungslos zubetoniert, warum muss der Platz am Kolk, der auch ein Park sein könnte, einem Einkaufzentrum wie den ECE-City Arkaden weichen?
Womit glaubt ihr, was der Döpps-Umbau in den nächsten Jahren für die Stadt bedeutet? Was denkt ihr, was die Stadtspitze sich davon verspricht, das auf Teufel komm raus durchzuboxen?
Loba: Für Leute wie den CDU-OB Jung oder den SPD-Mann Reese funktioniert das ganz schlicht: Jubelmeldungen der Lokalpresse, dass die Immobilienpreise auch in Wuppertal anziehen, nehmen die als positiv wahr. Das berücksichtigt aber in keiner Weise die Leute, die für mich Wuppertal ausmachen, die jetzt schon keine bezahlbaren Wohnungen finden, oder in der Innenstadt Platzverbote erteilt bekommen. Das interessiert aber Jung und Reese nicht, weil das nicht die Leute sind, für die sie Politik machen. Die machen Politik für ihren Plan einer Zweitliga-Gentrifizierung als Schlafstadt für Köln oder Düsseldorf und für Investoren, die aus dieser Stadt Profit rausziehen wollen.
Frank: Es stimmt, dass durch diese Politik ein Drittel der Bevölkerung abgehängt wird. Es geht darum, genug Leute dafür zu interessieren, dass dieses Drittel eben auch zur Stadt gehört, nicht einfach abgeschrieben werden kann, und dass dieses Drittel die Stadt in den nächsten zehn Jahren genauso mitgestalten wird – denn das Thema Döppersberg wird uns schließlich noch bis mindestens 2018 begleiten.